Was Musikkritiker anrichten

Medien aus Sicht des Dirigenten Franz Welser-Möst. Aufgeregtheit versus Stille

Hans H ö g l- Rezension

Während andere VIPs sich einen Ferrari zulegen, so der Musikkritiker Karl Löbl, ließ sich der Dirigent Franz Welser-Möst eine gediegene Bibliothek einrichten. Und was er liest, überrascht: Heideggers „Sein und Zeit“ und über die Postmoderne. Schon als Kind verschlang er Bücher. Er ist ein spirituell Suchender.

Im Sommer lebt er am Attersee im Salzkammergut. Frühmorgens steigt er auf Berge und erlebt das Werden des Tages. Das Buch des 60-Jährigen spiegelt sein Leben und ist eine Reflexion über die Welt der Musik. In seiner Kindheit sah er nicht fern, sondern lauschte abends seiner Mutter beim Klavierspiel. Wien bietet heute eine Fülle an Konzerten, aber wo wird Hausmusik gepflegt? Musikpflege ist bildend, doch 2017 sind an deutschen Grundschulen 80 % der Musikstunden entfallen. Und siehe da: Welser-Möst lobt die Musikpflege in Rotchina!

Die Ururgroßmutter des Dirigenten war Wienerin. Er selbst, geboren in Linz, wuchs in der Provinzstadt Wels auf, und ein geistlicher Musikpädagoge begeisterte ihn. Eine kleine Notiz lässt aufhorchen: Der frühere Chef der Wiener Staatsoper Joan Holender sah sich auch in der Provinz um Sänger um, förderte und forderte sie.

Seit Jahrzehnten dirigiert der Star das klassische Orchester in Cleveland (USA). Für ihn sind Musikkritiker wichtig, aber er verrät Bedenkliches: Ein Musik-Kritikerin in Chicago brachte Rafael Kubelik, einen exzellenten Dirigenten, schon nach drei Jahren um sein Amt. Den Vogel schoß der Wiener Musikkritiker Franz Endler ab: Seine Rolle als Kritiker gegenüber jungen Künstlern „sei wie die des Jägers für das kranke Wild- es muss herausgeschossen werden“ (S. 135). In Welser-Mösts Zürcher Periode an der Oper stand er von einem Musikkritiker unter Dauerbeschuss. Etwas passte ihm am Dirigenten nicht, dann wurde der Negativist vom Chefredakteur ersetzt.

Auch für solche, für die Musik nicht zentral ist, bietet dieses Buch Lehrreiches. „Das eigentlich Laute ist in Wahrheit das Leise“. Ein Leitmotiv von Welser-Möst ist die Erfüllung der Stille – als Gegenpol zur Schnelllebigkeit heute.

Franz Welser-Möst (2020): Als ich die Stille fand. Brandstätter Wien.

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